Andalusien März 2023 – Teil 1

Die Hinfahrt

Nach längerer Zeit der Vorbereitungen und Vorfreude geht es Anfang März 2023 endlich los. Zwar habe ich mich kurzfristig entschieden, nicht wie ursprünglich geplant nach Nord-spanien und Portugal zu fahren, sondern wegen der angenehmeren Temperaturen in den Süden. Aber das ist kein Problem, da ich ohnehin, wie meistens, mit dem Bulli spontan irgendwo bleibe oder weiterziehe, wie es mir gefällt. Andalusien ist mir zudem noch ebenso unbekannt wie der Norden und Westen der iberischen Halbinsel. Die Motivation für die Reise liegt im Wesentlichen im Genießen und Fotografieren von Natur und Landschaft, sowie meiner vor einigen Jahren wiederentdeckten Leidenschaft, dem Windsurfen. Das eine oder andere Städtchen möchte ich mir auch gerne ansehen und empfinde die dreieinhalb Wochen, die mir zur Verfügung stehen gar nicht als so wahnsinnig lang. Ursprünglich wollte ich mindestens einen Monat unterwegs sein. Von füheren Reisen dieser Art weiß ich, dass man auf so einer langen Strecke praktisch unendlich viele spannende Orte finden und sich sehr verzetteln kann. Man möchte ja, ist man eh schon-mal in der „Gegend“, keine Gelegenheit auslassen, entsprechende Sehenswürdigkeiten „mitzunehmen“. Davon muss man sich allerdings leider verabschieden und Prioritäten setzen, sonst endet die Reise nie. Nun bleiben mir nur noch besagte dreieinhalb Wochen, von denen fast eine Woche für Hin- und Rückfahrt draufgeht. Denn ich bin fest entschlossen, Frankreich zweimal mautfrei zu durchqueren. Auch damit habe ich schon Erfahrung und mir ist klar, dass das jeweils ca. einen halben Tag mehr Fahrzeit mit gefühlt einer Million Kreisverkehren und schlecht ausgeschilderten Ortsdurchfahrten bedeutet, ich dafür pro Strecke einige hundert Euro spare. So anstrengend das streckenweise auch ist, kann ich auf anderen Streckenteilen sehr schöne Landschaften genießen statt hunderte Kilometer schnöder Autobahn Lärmschutzwälle. Ein paarmal verliere ich dann während der Hinfahrt aber doch die Nerven, da es in Frankreich scheinbar gar nicht selten ist, Autobahnauf- und abfahrten einseitig zu bauen. Es passiert mir tatsächlich mehr als einmal, dass ich zur Orientierung oder kurzen Pinkelpause das mautfreie Autobahnstück verlasse und entsetzt feststelle, dass es an dieser Stelle keine Auffahrt in die selbe Richtung gibt, sondern ich zunächst eine Kleinstadt um- und durchfahren muss, um die entsprechende Anschlußstelle zu erreichen!

Nachdem ich nach langer Fahrt bis spät in die Nacht nahe Bordeaux am Straßenrand neben einem kleinen Friedhof übernachte, bin ich am frühen Nachmittag des folgenden Tages in San Sebastian im Norden Spaniens. Diese Stadt wollte ich mir ursprünglich anschauen und gegebenenfalls hier die 2. Nacht bleiben. Um Zeit zu sparen, beschließe ich jedoch, noch am selben Tag weiter zu fahren.

Die Straßen und das Stadtbild im Zentrum erinnern mich sehr an Barcelona. Als ich so durch Alltagsverkehr fahre und schließlich an der Uferpromenade angelange, wird mir klar, dass dieser kurze Aufenthalt im wesentlichen aus Parkplatzsuche, längerem Marsch und wenig Erlebtem bestehen würde. Denn freie Parkplätze sind nirgends auszumachen. So fahre ich nach einer immerhin einstündigen Schleife durchs Zentrum und am Stadt-strand vorbei wieder auf die Autobahn, weiter richtung Süden.

Mitten durch den Norden Spaniens fliegt eine mehr oder weniger öde Landschaft an mir vorbei und die Fahrt wird noch gerkönt von heftigen Windböen und Starkregen. Ein prima Hörbuch lässt die Zeit jedoch verstreichen und versetzt mich zurück in meine Jugend, in der ich viel Science Fiction Romane gelesen habe. Gleichzeitig thematisiert das Hörbuch Gott und die Vergänglichkeit von Allem und erzeugt in mir Emotionen und Gedanken zu so oberflächlichen Themen wie dem Sinn des Lebens. Es wird eine zweitweilig recht melancholische und philosophische Fahrt durch die stürmische, graue Suppe, die mir permanent gegen die Scheiben klatscht. Ich habe hierzu leider keine Fotos ;).

Auch dieser Tag endet, wie der vorherige spät in der Nacht, diesmal auf einem Autobahnrastplatz zwischen LKWs. Am nächsten Morgen geht es nach einem leckeren Müsli mit frischem Obst weiter. Geplant ist, den Rest der Strecke (ca. 700km) bis zum späten Nachmittag hinter mich zu bringen. Doch es kommt ganz anders. Nach gerade einmal einer knappen Stunde Fahrt, ändert sich innerhalb von 20 Minuten die Landschaft dreimal. Von Monokulturen mit Olivenbäumchen auf weiten Ebenen wird es auf einmal ein bisschen hügelig und plötzlich sehe ich rechts und links der Straße kleine, knorrige und krumme Bäume und Büsche zwischen Felsen stehen, alles an sich schon wunderschön und zudem noch umsäumt mit kleinen lila Blümchen, die wie Teppiche um die vereinzelt stehenden Bäumchen wachsen. Ich bin so fasziniert, dass ich überlege, abzufahren und Fotos zu machen. Noch vor der nächsten Ausfahrt wechselt die Landschaft nocheinmal zu einer deutlich kargeren Vegetation und dieses Bild scheint sich bis zum Horizont fortzusetzen. Ich wende kurzerhand und fahre die wenigen Kilometer zurück. Direkt neben der Ausfahrt führt eine Sandpiste auf ein ehemals abgesperrtes, nun aber offenes Gelände. Die bezaubernde Landschaft und die Faszination für Geländewagen aus meiner Jugend lassen mich nicht lange abwarten und der Bulli und ich verschmelzen mit dem Gelände. Ich fühle mich ein bisschen, wie bei der Camel Trophy als ich über diverse Unebenheiten und durch einen immerhin ca. 30 cm tiefen Bachlauf fahre. Das ganze Gelände gehört zu einem kleinen Flughafen für Privatmaschinen und ist praktisch menschenleer und sich selbst bzw. der Natur überlassen. Ein Traum, wie dafür gemacht, spontan innezuhalten und die Fahrt später fortzusetzen.

Diese Landschaft im Bild festzuhalten, emfpinde ich als gar nicht so einfach. Ich suche ewig nach schönen Kompositionen, finde aber oft, dass entweder Blumenteppiche nicht richtig zur Geltung kommen, der Hintergrund mit zu vielen Büschen zu unruhig oder die Richtung des Lichts ungünstig ist.

So in die Motivsuche vertieft, werden mir die lustigen „pup-pup-pup“-Laute eines Wiedehopfs erst nach Minuten bewußt, einer Vogelart, die ich schon länger gerne einmal live sehen und fotografieren möchte. Ich schaue mich wie gebannt um.

Leider habe ich nicht sofort das Glück, dafür balzen zwei Haubenlerchen mit drolligen Sprüngen auf einem Felsen vor mir und ich sehe noch einige weitere Vogelarten, die ich vorher nicht kannte und die es bei uns z.T. gar nicht gibt, wie die wunderschönen Blauelstern. Die Zeit verstreicht und ich entscheide mich, hier zu übernachten und den Nachmittag/ Abend, sowie den kommenden Morgen hier zu genießen.

Haubenlerchen (click to enlarge)

Darum liebe ich diese Art zu Reisen so sehr, weil ich völlig spontan sein, und wie in diesem Fall an einem Platz bleiben kann, den man sicherlich in keinem Reiseführer findet. Die Entscheidung ist genau richtig. Ein Pärchen Häher-Kuckucke stört sich kaum an meiner Anwesenheit und führt unter lautem Krakelen diverse Verfolgungsjagden durch. Das sind Augenblicke, von denen man als Naturliebhaber und -fotograf träumt und ich werde als Krönung mit ein paar schönen Aufnahmen belohnt.

Am folgenden Mittag soll es nun endlich ans Ziel und ans Meer gehen. Aufgrund meiner Erfahrung in San Sebastian mache ich um Sevilla einen Bogen, auch wenn es hier sicherlich ebenfalls viel zu Entdecken gäbe. Ich muss Prioritäten setzen. Am frühen Abend sehe ich erstmalig wieder den Atlantik. Los Canos de Meca, der nördlichste Windsurf-Spot, der noch im Umfeld von Tarifa liegt und noch vielmehr ein beliebter Ort zum Wellenreiten. Leider wird es schon dunkel und von zwei Campingplätzen ist einer geschlossen und einer voll. So bleibe ich am Strandparkplatz stehen, wo, zumindest außerhalb der Saison, das Übernachten im Wohnmobil geduldet wird. Ein paar Wellenreiter surfen noch nach Sonnenuntergang weiter, bis sie die Hand vor Augen nicht mehr sehen können.

Als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster schaue, sind viele von ihnen bereits wieder (oder immer noch?) im Neoprenanzug mit ihren Boards unterm Arm auf dem Weg zum Wasser. So viele Early Birds findet man unter Windsurfern kaum. Die schlafen gerne erstmal aus, warten dann, was die Anderen so für Segelgrößen aufbauen, machen sich nen Kaffee, beobachten, wie die Anderen mit ihrer gewählten Segelgröße klarkommen und machen sich dann so langsam selber ans Aufbauen. Ich nehme mich da übrigens nicht aus.

Mein Bedarf nach einem Stromanschluß und einer richtigen Dusche nach drei Tagen ist groß und ich fahre weiter, die Straße an der Küste entlang Richtung Tarifa. Bei Zahara gruselt es mich richtig. Endlos reiht sich hier Hotelanlage an Hotelanlage, eine Stadt ausschließlich für den All-inklusive-Tourismus. Das wäre nicht meins.

Bevor ich bei Tarifa ankomme, mache ich noch Halt bei ein paar Surfstränden, um schonmal einen Überblick zu haben, wo es schön ist und wo ich bei welcher Windrichtung hinfahre. Noch ist nicht genug Wind, aber für die kommenden Tage ist die Vorhersage gar nicht schlecht. Nachmittags bin ich dann endlich auf dem angeblich südlichsten Campingplatz Europas

Der kommende Tag soll ziemlich ereignisreich werden, was ich gar nicht erwarte. Da noch nicht viel Wind vorhergesagt ist, beschließe ich, die Umgebung ein wenig zu erkunden. Die Fahrtzeit nach Algeciras/Gibraltar beträgt nur ca. 30 Minuten und ich fahre nach Punta Carnero. In einer engen Kurve sehe ich einen kleinen Platz und gegenüber eine Einfahrt zu einem Grundstück, wo ich parke. Von hier hat man einen wunderschönen Blick nach Gibraltar, welches auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht liegt und in die andere Richtung auf Marokko, das zum Greifen nah aussieht und hier an der Straße von Gibraltar auch nur ca. 14 km entfernt ist.

Zudem bin ich ein paar Serpentinen vorher an einem hübschen Leuchtturm vorbeigekommen, der ebenfalls ein schönes Fotomotiv abgeben müsste. Nach kurzer Zeit taucht ein Fotograf mit langem Teleobjektiv auf und ich komme mit ihm ins Gespräch. Sein Name ist Dietmar und er erzählt mir, dass bei der heutigen Windrichtung und zu dieser Jahreszeit viele Zugvögel, die von Afrika zurück nach Europa kommen, genau hier das europäische Festland erreichen. Tatsächlich sind es pro Woche wohl alleine mehrere Zigtausend Greifvögel. Kurze Zeit später sehen wir auch die ersten Schlangen- und Zwergadler über dem Meer auftauchen und über unsere Köpfe hinweg Europa erreichen. Eine ganze Gruppe von Vogelbeobachtern taucht mit Ferngläsern auf, um die verschiedenen Arten zu zählen.

Schlangenadler (click to enlarge)

Ich bleibe erheblich länger, als ich ursprünglich geplant hatte und mache mich dann auf den Weg zu einem Leuchtturm, den Dietmar, mir empfohlen hat. Es soll ein sehr schöner Platz sein und oberhalb in einem alten Stall, so hatte er mir verraten, hat er einen Steinkautz gesehen.

Der Weg dorthin führt über mal wieder sehr schlechte Straßen, besser gesagt Wege, durch ein ehemaliges militärisches Sperrgebiet. Zum Teil kann ich nur im Schrittempo über Steine und durch Löcher fahren, wenn ich nicht möchte, dass sich sämtliche Gegenstände im Bulli einen anderen Platz suchen. Bei meiner Suche fahre ich eine Strecke zu einigen Windrädern hoch. Der Ausblick ist fantastisch und ich sehe etwas unterhalb eine Ruine, die einmal ein kleiner Bauernhof oder Stall gewesen sein könnte. Den besagten Turm am Strand sehe ich ebenfalls in der Ferne. In einer Kurve der Wartungswege zu den Windrädern steht ein Camper. Als ich vorbeifahre und denke: „die haben sich einen schönen Platz gesucht“, kommt die junge Frau aus dem Camper auf mich zu und fragt, ob ich ein Starthilfekabel im Auto habe. Ihr Van springt nicht an und wir bekommen ihn auch mit Kabel nicht zum Laufen. Ihr Freund, dem der Van gehört, vermutet, dass es mit dem Funkschlüssel zu tun hat, dessen Batterie wohl den Geist aufgegeben hat. Da ich auch ein Abschleppseil dabei habe, ist die Idee, ihren Van ein Stück Berauf zu ziehen, um ihn dann bergab rollen zu lassen. Das gestaltet sich als nicht so einfach, da er nur hinten eine Abschleppöse hat und wir ihn erstmal aus der Nische und um eine enge Kurve ziehen müssen. Ob mein Bully mit seinen 78 PS das packt, den rund 3 Tonnen wiegenden Van bergauf zu ziehen und die Reifen auf dem Schotter bergauf überhaupt genug Grip haben, ist fraglich. Aber es klappt unerwarteter Weise sehr gut und die Beiden sind nach einem erfolgreichen Startversuch unglaublich dankbar, haben sie hier, ohne Mobilfunknetz und bei ca. 2-Stündiger Anfahrt über übelste Wege, wenig Aussicht gehabt, leicht wieder wegzukommen.

Nachdem ich mich verabschiede, suche ich die Zufahrt zu der Ruine, die mich fasziniert und finde sie nach einigem Suchen. Ein stellenweise leicht matschiger, recht steiler und steiniger Weg führt hinab und ich fahre vorsichtig nach den ersten Metern noch einmal rückwärts ein kleines Stück hauf, um sicherzugehen, dass meine Reifen mich hier wieder hinaufbringen. An der Ruine angekommen, packe ich das erste Mal auf dieser Reise meine kurz vorher noch gebraucht gekaufte Drohne aus. Dieser Ort scheint mir ideal dafür. Es ist so schön hier, dass ich überlege, nocheinmal hier herzukommen an einem anderen Tag und hier zu übernachten.

Dann mache ich mich auf zum Turm am Strand. Die Fahrt wird nocheinmal sehr holprig und als ich dort ankomme, reicht es mir erstmal mit dem “Offroad”-Fahren.

Der Blick auf Marokko ist von hier noch viel direkter und der Turm bildet einen schönen Vordergrund. Den Steinkautz sehe ich tatsächlich auch. Zu meiner Verwunderung verläßt er auch bei Tageslicht seine kleine Nische im Stall und fliegt zum Turm herüber und nach kurzer Zeit taucht ein zweiter auf und sie sitzen zusammen dort oben. Als sie später weg sind, klettere ich in den seitlichen Eingang des Turmes, der in etwa 3,5 m Höhe liegt. Es reizt mich, eventuell innerhalb bis nach oben gelangen zu können und die Aussicht von oben zu genießen. Leider ist die enge Wendeltreppe größtenteils weggebrochen und lässt ein ersteigen nicht zu.

Nach einem ereignisreichen Tag mache ich mich nach Sonnenuntergang auf, zurück zum Campingplatz.

(click to enlarge)

Dieses war der erste Teil meines Blogs. Der Zweite folgt hoffentlich in Kürze